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"Kunst verhält sich zur Schöpfung gleichnisartig"

Der vor 100 Jahren bei Bern geborene Maler Paul Klee trug die in der Überschrift zitierten Worte bei Freunden in das Stammbuch ein, um andeutungsweise eine in seiner Kunst zum Ausdruck kommende Motivation zu bezeichnen. Künstlerischer Gestaltungswille wird sich niemals den Triebkräften der Natur widersetzen können - es sei denn, die Kunst kann nicht mehr ein Gleichnis für etwas Wahres sein, indem sie einem Diktat "von oben" unterworfen wird. Die befruchtende Wechselwirkung von Natur und Kunst, von objektiver und subjektiver Wahrheit, war immer und wird auch immer ein erkennbar wichtiger Bestandteil bedeutsamer Kunstwerke sein. Ein Zeugnis dafür, daß es sich auch heute so verhält, geben die Bilder und Zeichnungen von Frau Fromm und die plastischen Arbeiten von ihrem Mann, Herrn Josef Fromm. - Beide ließen sich zunächst an der Kunstschule in Bonndorf ausbilden, um dann ihren gemeinsamen künstlerischen Lebensweg in München fortzusetzen. Dort führte Josef Fromm sein bildhauerisches Studium an der Akademie der bildenden Künste bei Professor Henselmann weiter. -

Helene Fromms Bildmotive reichen von ausdrucksstarken Porträtdarstellungen über Landschaftsszenen, Blumenstilleben und Musik-Allegorien bis hin zu Verarbeitungen von vorgegebenen Bildthemen. So entstand unter dem Motto "Hommage a Goya" ein Bilderzyklus, der in beeindruckender Weise einerseits an die geheimnisvolle Bildwelt von Goyas Radierungen gemahnt, andererseits aber so viel künstlerische Eigenständigkeit erkennen läßt, daß man die Schwierigkeit und den Anlaß einer solchen gestellten Aufgabe schon zu vergessen beginnt. Erst die Arbeit am künstlerischen Freiraum und die gesunde Auseinandersetzung mit der Geschichte der Malerei ermöglichen es, derartige Lösungen der Interpretation und der Übersetzung von einer Technik in eine andere zu finden. Die dem Ausdrucksverlangen der Künstlerin adäquate Technik ist ein Mischverfahren von Aquarellfarbe und farbabstoßender Fettsubstanz. Letztere erzeugt den Eindruck von zufällig gewonnener Spontaneität - Farbe löst sich in kleinere Partikel auf und die Form wird reduziert zugunsten einer malerisch - atmosphärischen Wirkung. Die Bewegung von Licht, Luft und Wasser wird z. B. bei den Arbeiten mit dem Thema "Segelschiffe" fast spürbar. Das Segel und sein Schatten im Wasser werden durch feinste Farbvaleurs charakterisiert - nicht aber "abgemalt". Die gegenstandsbezogenen Formen üben für die Künstlerin eine Art Kontrollfunktion aus, um nicht einer willkürlichen, informellen Darstellungsweise zu erliegen.

Der Zyklus "Musik" besticht durch seine gedankliche, im Bild sich niederschlagende Abstraktionskraft. Das jeweilige Instrument ist selbst schon Musik - seine Formen werden nur angedeutet. Gerade bei diesen Blättern kommt es zu einer besonders ausgewogenen Synthese von Farbe und Form und von Linie und Fläche. Wie bei einem polyphonen Musikstück wirken diese konstituierenden Bildteile kontrapunktisch - gleichwertig zusammen.

Fernab von stilistischen Modeformeln wurde hier eine zutiefst persönliche, aber ebenso allgemeingültige Aussage getroffen. Auch vor Josef Fromms Plastiken wird klar, daß wahre Kunst eine Form der Mitteilung, eine Kommunikation zwischen Künstler, dem Kunstwerk und dem Betrachter sein muß. Fromm äußert sich meist in der klassischen Technik des Bronzegusses, zudem gibt es Arbeiten aus Marmor, Stein und Holz. Im Mittelpunkt seines Schaffens steht der Mensch, eingebettet in ein kosmologisches Gedankenbild, das von der Vorstellung des Menschen im Einklang oder in der Auseinandersetzung mit der Natur geprägt ist. Stellvertretend hierfür mögen die in Bronze und Marmor gearbeiteten Plastiken "Dialog" genannt sein. Aus einer gemeinsamen Wurzel bilden sich organisch zwei Formteile heraus, die den zwischen ihnen liegenden Hohlraum definieren. Außen- und Innenleben stehen sich gegenüber; weiche Formen korrespondieren mit kantigen Linien; Wölbungen wechseln mit raumschaffenden Einbuchtungen einander ab; Licht und Schatten bedingen einander - kurzum, die Plastik an sich ist als künstlerische Form schon ein Zwiegespräch. Im assoziativ - gedanklichen Bereich läßt sie entsprechend viele Möglichkeiten der Interpretation zu. Fromms inhaltliches und formales Interesse am "dialogischen Prinzip" zeigt sich bei zahlreichen anderen Arbeiten wie z. B. bei "Zwischen den Stühlen" oder "Sieg und Niederlage". Fromm faßt diese Thematik nicht wörtlich auf - vielmehr ist sie Gleichnis für das, was den Menschen an sich und damit auch in seinem Verhältnis zur Natur bestimmt. Der Dialog als eine Metapher für Leben. Indem der Künstler das Wesensmäßige eines Bildmotivs verdichtend und auf hohem Abstraktionsniveau darzustellen versteht, zugleich aber am Gegenständlich - Identifizierbaren festhält, entsteht in seinen Plastiken ein Netz von Spannungen, dem sich der Besucher nicht entziehen kann. Keine Form verselbständigt sich und wird seelenlos; sie gibt immer einen metaphysischen Aspekt der Dingwelt wieder. Mit Kandinskys Worten ließe sich zudem von einem "inneren Klang" sprechen, der den Plastiken innewohnt und eine stille, meditative Schönheit verleiht.

Den Zugang zu Fromms Arbeiten vermitteln am besten die Worte Henry Moores, der einmal gesagt hat: "Es gibt Formen allgemeiner Natur, zu denen jeder im Unterbewußtsein eine gewisse Beziehung hat und auf die er reagieren kann, wenn die Kontrolle seines Bewußtseins sie nicht zurückweist."

Rede von Dr. Herbert Schneidler anläßlich einer Ausstellungseröffnung von Helene und Josef Fromm